Autorin
Silvia Gillardon
Hier veröffentliche ich sporadisch lyrische Texte.
Es sind Stimmungsbilder, Seelenbilder, Bilder davon, wie es in dir, hinter dir und neben dir klingen könnte. Spontan entstandene Sätze, weitergesponnene, verfremdete, oft auch ironische Wortspiele, Eingebungen.
du
deine worte
tragen mich durch den tag
und deine zärtlichkeiten
durch die nacht
wenn dann die katze
auch mitlächeln darf
ist mein trübsal
für immer vertrieben
ausser kontrolle
die kontrolle abhanden
verkommen
tanzt auf dem dach
verhöhnt mich
verharrt
und singt kanon
bis ordnung herrscht
in mir und ausser mir
in sämtlichen stübchen
löwenmaul
wir löwenmäulchen
haben uns erholt
denn unser name
ist programm
die blüte üppig
wir harren aus
bis es dir besser geht
wenn’s sein muss
durch den winter
worte sind waffen
wir haben geglaubt
an versöhnung, verzeihung
ein einziges wort
hat die festung
zum einsturz gebracht
und uns beide entrüstet
es reicht
warum ist es so schwer
die türen zu verschliessen
für immer
der rost hat auch
seine guten seiten
meinst du
des schadens froh
und lächelst
doch wir wissen beide
dass es nicht reicht
und es reicht
give me five
komm, wir machen frieden
hatten wir damals gesagt
give me five
und alles war einfach
und schnell wieder gut
erledigt die wut
komm doch zurück
liebes damals
und hilf uns
den frieden zu machen
8. Juni 2021
blues
es bringt dich nicht näher
und mich auch nicht weiter
das frühlingsgesäusel
da könnt ihr noch lange frohlocken
die vögel und du
der alte blues
ergibt sich nur zum schein
verbirgt sich hinter blüten
und spätestens im herbst
sind seine jungen flügge
23.4.2021 Silvia Gillardon
am wasser gebaut
zu nahe
am wasser gebaut
vom überfluss erfasst
und weggeschwemmt
von den habseligkeiten
die so wenig selig machen
sich tragen lassen
und ab und zu
ein bisschen untergehen
im tränenreich
müssen müssen
die oma klagt
ich muss mit dem enkel in den zoo
der enkel klagt
ich muss mit der oma in den zoo
beiden müssen müssen
und keiner will wollen
kein wunder
dass die tiere sich wundern
über die langen gesichter
vor ihrem gehege
die könnten doch reden?
vorsehung
es war vorsehung
meinst du
schulterzuckend
niemand konnte es
voraussehen
und hätte doch jemand
etwas gesehen
und dich gewarnt
hättest du dich
genauso wenig
vorgesehen
gelassen
wenn sie sich
so herablassend
auf augenhöhe herablassen
schlage ich sie nieder
die augen
und warte gelassen
bis sie es lassen
die habenichtse
loslassen
loslassen
heisse das zauberwort
meinst du
und schliesst mich
tröstend in die arme
soll ich?
worst case
was wäre das schlimmste
das passieren könnte
soll ich mir ausmalen
aber ich will nicht
auch nichts
halb so schlimmes
und bleibe angstvoll
in der schwebe
zeitung
was war das bloss
was gestern
in der zeitung stand
vor einer woche
einem jahr
gleich schwer
bedeutungsvolles
schwarz auf weiss
es wird nichts wichtiges
gewesen sein
einhalt
die zeit
steht still
sie rast vorbei
schlägt stunden
stundenlang
vergeht vielleicht
doch morgen
steht sie wieder
auf der matte
genau wie du
war`s das
du hättest es langsam gesehen
sagst du
und manchmal auch schnell
und ginge die sache nach dir
dann könntest du jetzt
langsam gehen
und?
was hast du erkannt?
schnell, schnell
nur noch schnell
die welt bewundern
nur noch schnell denken
atmen
nur noch schnell
leben
am stimmigen ufer
es zieht mich fort
von dort, woher ich stamme
von dort kann ich nicht sein
ich habe mich geirrt
die wahrheit liegt
nicht in den wurzeln
ein baum kann sich
sehr wohl verpflanzen
die krone lichtwärts
am stimmigen ufer
neubeginn
du hast dich abgesetzt
von dem alten, den alten
dich abgewandt
und das es war mal war mal
bloss neue gesichter!
bloss frische geschichten!
bloss nichts mehr
mit damals und hätte ...!
nur noch eintauchen
in ein heiteres: es könnte!
und siehe da: die neuen
sie applaudieren dem fremden
das neue, es kitzelt so lustig
doch morgen werden auch sie
zu alten alten werden
und du musst weitergehen
oder doch endlich bleiben
und mit dem spiegel reden?
das neue haus
das neue haus
ist schöngeredet
trotz schattenloser einsamkeit
die farbe gut getroffen
azur kommt immer an
in dieser meeressehnsuchtswelt
die pinien, palmen und mimosen
das stimmt doch alles
sie werden kommen, applaudieren
und irgendeinmal
bist auch du begeistert
bestimmt, vermutlich,
hoffentlich
du meine güte
geh du nur
warum sollte ich dir böse sein
wenn du nicht kleben willst
wegen der paar jahre
wir können doch nicht
ewig gemeinsam verharren
und warten auf etwas
was vermutlich doch nie kommt
du meine güte
taktvoll
ich kann nicht mehr
als nicken
wonach sonst soll ich tanzen
besser deiner pfeife als gar keine
selbst bei mazurka
tanz ich tango
wenn du tango sagst
taktvoll und taktlos
denn bloss keine tränen
verstohlen zupfe ich
an margeriten
er liebt mich?
ein wenig?
trotz allem!
und was will man mehr
23.4.2021 Silvia Gillardon